Über eine Woche war der Himmel fast vollständig bedeckt und das leuchtende Türkis des Wassers über der Exuma Bank war einem trüben Nordseegrau gewichen. Während der Regen aufs Deck prasselte versuchten wir, für uns und unser Schiff Wege aus dieser Misere hinaus zu entwickeln.
Nach einigen Telefonaten und Emails mit verschiedenen Kontakten in Deutschland und den U.S. war klar, dass es mindestens 15 bis 20.000€ kosten würde, das Rigg mit neuem Mast, Wanten, Stagen, Vorsegel etc. in die USA oder gar in die Bahamas liefern und aufbauen zu lassen. Es würde auch etwa 8 Wochen dauern, mit viel Glück nur 4 bis 6 Wochen bis die Teile da wären. Letztendlich haben wir aber bisher niemanden gefunden, der bereit und in der Lage wäre, diesen Auftrag auszuführen. Falls doch alles klappen würde, könnte man an eine erneute Atlantikpassage frühestens im August denken. Zu dieser Zeit steigt dort jedoch schon wieder die Wahrscheinlichkeit für Stürme an und man müsste sich mit einem neuen, noch gar nicht erprobten Rigg auf den Atlantik machen. Keine gute Vorstellung.
Aus diesen Gründen hatten wir uns entschlossen, den Frachter von Freeport/Bahamas nach Ijmuiden/NL zu buchen. Von dem Agenten der Reederei kam jedoch der Hinweis zurück, dass wahrscheinlich nicht genügend Aufträge für Freeport da wären, so dass der Frachter direkt nach West Palm Beach/USA fahren würde. Von dort würden sie aber unsere SAI MANGALAM für den gleichen Preis (rund 11.000€) mitnehmen.
Normalerweise kann man mit einem online-Verfahren (ESTA) innerhalb einiger Tage eine Erlaubnis bekommen, per Fähre oder Flugzeug in die USA einzureisen. Am Flughafen wird dann direkt vor Ort das Visum erteilt und in den Reisepass gestempelt. Will man jedoch mit dem eigenen Boot einreisen, benötigt man vorab ein sogenanntes B2-Visum, das nur in einer U.S.-Botschaft ausgestellt werden kann. Dazu muss man persönlich in der Botschaft vorsprechen, doch die U.S.-Botschaft in Nassau ist z.Z. geschlossen. Ein Visum würde, so die telefonische Auskunft, nur in Fällen von Leben und Tod vergeben. Von anderen Segler hörten wir, dass sie Termine für Anfang Juni bekommen hätten und dass sich ab Juni voraussichtlich etwas an der Rechtslage ändern wird. Blöd nur, dass wir am 30.05.2020 bereits in Palm Beach sein müssen, weil der Frachter zwischen dem 30.05. und 14.06.2020 von dort fährt.
Eine gängige Praxis unter den Seglern ist es, zunächst mit einer Fähre und der ESTA-Genehmigung einzureisen, das Visum zu bekommen und dann das eigene Boot nachzuholen. Von diesem Trick hatten wir bereits auf den Virgin Islands gehört, wo es sich anbot, von den Britisch V.I. mal eben zu den U.S.V.I. zu fahren und schon hatte man sein U.S.-Visum. Wir haben diese Möglichkeit recherchiert, doch die Fähren von den Bahamas nach Florida transportieren zur Zeit nur Fracht, keine Passagiere. Etwa einmal pro Woche geht von Nassau/Bahamas ein Passagier-Flugzeug nach Fort Lauderdale/USA, aber kein Passagier-Flug zurück nach Nassau. Angeblich sitzen sogar Bahamesische Staatsangehörige in den USA fest, die nicht zurück können. Wir könnten überhaupt nicht wieder in die Bahamas einreisen, wenn wir einmal draußen wären.
Angenommen, es würde uns gelingen, die SAI MANGALAM mit dem Frachter loszuschicken, dann bleibt das Problem, wie wir nach Deutschland kommen.
Einen wirklichen Ausweg konnten wir also bisher nicht finden. Doch der Weg führt weiter nach Norden, soviel ist klar, nach Nassau, um vielleicht doch noch ein Visum oder eine Möglichkeit der Einreise in die USA zu bekommen.
Den Großteil dieser trüben Zeit lagen wir mit der SAI MANGALAM in der Ankerbucht vor Big Major‘s Spot wo sich eine ganze Menge Yachten versammelt hatten und das nicht ohne Grund. Staniel Cay war so etwas wie das kleine gallische Dorf der Bahamas. Ganz so streng wurde es hier mit dem Corona-Protokoll nicht gesehen und wir konnten mit dem Dinghi zum Land fahren, im Ort herumlaufen (mit Mundschutz), einkaufen, Wäsche waschen (endlich!) und der Yacht Club hatte sogar ein Fenster geöffnet, um von dort kalte Getränke zu verkaufen. Die Preise waren aber wieder mal so exorbitant, dass wir beschlossen, erst einmal alle unsere Trocken-Vorräte aufzuessen und regelmäßig Brot selbst zu backen.
Einmal, als die Sonne es geschafft hatte, sich eine kleine Lücke durch den Wolkenvorhang zu bahnen, besuchten wir die berühmten schwimmenden Schweine am Strand. Die Schweine waren echt sehenswert, wie sie so ruhig und doch zielstrebig mit offenem Maul auf den erhofften Leckerbissen (Kartoffelschalen) zu schwammen. Ein absolutes Highlight aber war das Tauchen in der Thunderball-Grotte (hier wurde die Szene für „Feuerball“ bzw. „Sag niemals nie“ gedreht, wo James Bond von einem Helikopter durch eine Öffnung im Dach der Höhle heraus geholt wird) zusammen mit Ross, einem passionierten Freediver und Fotografen inmitten von Schwärmen bunter Riff-Fische. Zum ersten Mal bin ich mit Gewichten getaucht, was echt toll ist, weil man nicht ständig gegen den Auftrieb ankämpfen muss und von Ross habe ich gelernt, mich zuerst zu entspannen, dann konnte ich den Atem viel länger und ruhiger halten. Nirgends zuvor war das Wasser so klar und die Fische so bunt, so zahlreich und so nah wie hier.
Bewundernswert, dass Ihr bei der so unsicheren Gemengelage noch so entspannt herrliche Fotos machen könnt.
Es wird ja langsam eng, wenn Helga am 01.07.in ihrem Amt antreten will bzw. muss.
Inzwischen seid Ihr von Nassau aus weiter gesegelt. Verheißt das eine Lösung?
Wenn ich mir den geschilderten an Komplexität nicht zu überbietenden Sachstand vergegenwärtige, kann ich mir “manuell” fast keine schnelle Lösung vorstellen. Vielleicht ein Fall für “Künstliche Intelligenz” . Hahaha .
Hier werden die Restriktionen massiv gelockert. So könnte zumindest die Einreise nach Europa für Euch leichter werden.
Jedenfalls seid Ihr am Leben. Aus dem Blickwinkel der Situation, der Ihr entronnen seid, kann man jetzt nur müde lächeln. Naja,
Euch trotzdem gutes Gelingen.
Euer Dietrich
Ich drück euch alle Daumen für eine glückliche Rückfahrt. Ihr habt schon soviel bestanden, ich bin sicher ihr findet auch hier letztlich einen guten Weg
OmSaiRam evelyn
Dankeschön, liebe Evelyn!