Ein Bau­er war im Ort gut ange­se­hen. Beson­ders bewun­dert wur­de er von allen für sein präch­ti­ges Pferd. Ein wun­der­schö­ner Hengst, stark und ele­gant. Die Dorf­be­woh­ner sag­ten zu ihm:
“Was für ein Glück du hast, so ein schö­nes Pferd zu besit­zen!”
Der Bau­er sag­te nur “Glück oder Unglück, wer weiß das schon?”

Eines Tages war das Pferd plötz­lich ver­schwun­den. Die Dorf­be­woh­ner ver­sam­mel­ten sich um den lee­ren Stall und klag­ten “Wie wirst du die Feld­ar­beit schaf­fen ohne das Pferd? Du Armer, jetzt hast du nichts mehr! Was für ein Unglück!”
Der Bau­er sag­te nur “Glück oder Unglück, wer weiß das schon?”

Nach eini­gen Tagen hör­ten die Dorf­be­woh­ner das Geräusch von vie­len Hufen. Der Hengst kehr­te zurück und mit sich brach­te er eine klei­ne Her­de von Wild­pfer­den. Die Dorf­be­woh­ner eil­ten zum Bau­ern und rie­fen auf­ge­regt “Du hat­test Recht, es war kein Unglück dass das Pferd weg­ge­lau­fen ist. Jetzt ist es wie­der da und bringt all die­se ande­ren Pfer­de mit. Was für ein Glück!”
Der Bau­er sag­te nur “Glück oder Unglück, wer weiß das schon?”

Der ein­zi­ge Sohn des Bau­ern begann nun, die Wild­pfer­de ein­zu­rei­ten. Dabei wur­de er eines Tages abge­wor­fen und ver­letz­te sich so schwer, dass sein Bein völ­lig zer­trüm­mert wur­de. Die Dorf­be­woh­ner gin­gen zum Bau­ern und klag­ten “Du Ärms­ter! Dein Sohn wird nie mehr arbei­ten kön­nen. Wer wird für dich im Alter sor­gen und dei­ne Fel­der bestel­len? Was für ein Unglück!”
Der Bau­er sag­te nur “Glück oder Unglück, wer weiß das schon?”

Kur­ze Zeit spä­ter begab es sich, dass der Kai­ser einen Krieg began und Boten in die Dör­fer schick­te, um alle dienst­taug­li­chen Män­ner ein­zu­zie­hen. Die Dorf­be­woh­ner hat­ten gro­ße Angst, sie wuss­ten dass vie­le von ihnen ihre Söh­ne nie wie­der sehen wür­den. Sie wein­ten und spra­chen zum Bau­ern “Weil dein Sohn nicht mehr lau­fen kann, bleibt er dir erhal­ten. Was für ein Glück du hast!”
Der Bau­er sag­te nur “Glück oder Unglück, wer weiß das schon?”

 

Nach der chi­ne­si­schen Para­bel “Glück im Unglück — Unglück im Glück”

 

3 Kommentare
  1. Dietrich Borris
    Dietrich Borris sagte:

    Lie­be Hel­ga und Frank!
    Dan­ke, dass Ihr uns durch die detaill­ge­treue Schil­de­rung an dem Euerm Atlan­tik­de­sas­ter teil­ha­ben lie­ßet.

    Was Ihr durch­ge­macht habt ist ja an Dra­ma­tik nicht zu über­bie­ten.

    Dass so ein Bruch in unse­rem nor­mier­ten Tech­nik­zeit­al­ter pas­sie­ren kann, wo alles x mal geprüft wird und auch geprüft wer­den kann, was Ihr ja getan habt, hät­te ich mir nicht im Traum vor­stel­len kön­nen.

    In alten See­fah­rer­ro­ma­nen ja , die wir als Kin­der lasen , wur­de so ein Mast­bru­cher­eig­nis, aus­ge­löst durch schwers­te See, als dra­ma­ti­scher Höhe­punkt geschil­dert.

    Beim Segeln ist ja wohl der schlimmst vor­stell­ba­re Not­fall, dass der Antrieb, das Segel, aus­fällt. Nur Ken­tern ist viel­leicht schlim­mer.
    Allein die Vor­stel­lung, dass man in eine sol­che Situa­ti­on kom­men könn­te, lässt einen erschau­dern.
    Aber dann in der Situa­ti­on, in der Gefahr unmit­tel­bar, schal­ten wir das Hirn ein, das Gefühl aus, und sind wie­der in der Lage völ­lig ratio­nal zu han­deln.
    Ihr offen­bar auch ohne zu gro­ße Hek­tik, sonst hät­tet Ihr es ja gar nicht geschafft, vor allem auch ohne grö­ße­re Ver­let­zun­gen und Fehl­hand­lun­gen, die in der Panik eigent­lich unver­meid­bar sind.

    Und der Über­le­bens­wil­le hat Euch offen­bar unter Nor­mal­be­din­gun­gen nicht vor­stell­ba­re kör­per­li­che und see­li­sche Kräf­te ver­lie­hen.

    Die Vor­stel­lung einer sol­chen Situa­ti­on macht mehr Angst, als dann die Rea­li­tät. Anders kann ich mir auch gar nicht die Stand­haf­tig­keit vor allem von Hel­ga vor­stel­len. Man könn­te ja auch aus­ras­ten in eine see­li­sche Aus­nah­me­si­tua­ti­on gera­ten.
    Was uns nicht umbringt, macht uns stark.

    Das Ihr so die Über­sicht behal­ten konn­tet, nicht in Panik gera­ten seid, Hut ab.

    Viel­leicht hat auch schon die die lan­ge Fahrt bis­her und die zahl­rei­chen klei­ne­ren Zwi­schen­fäl­le und Schä­den am Boot , die gedank­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit solch einer Situa­ti­on Euch die Kraft ver­lie­hen.
    Frank sag­te im Janu­ar, die ein­zi­ge Kon­stan­te bei solch einem Unter­neh­men ist, das stän­dig was kaputt geht. Aber so ein Tief­schlag? Wohl nicht ein­ge­rech­net.

    Ohne Franks tech­ni­sche Fer­tig­kei­ten, wäre das nicht gelau­fen.

    Ich den­ke, es macht jetzt auch zufrie­den und wenn Ihr über das Gesche­he­ne nach­denkt, glück­lich solch eine Grenz­si­tua­ti­on aus eige­ner Kraft bewäl­tigt zu haben.
    Ihr könnt Euch jeden­falls mehr als nur auf die Schul­tern klop­fen.
    Mein Respekt und Aner­ken­nung!
    Glück auch im Unglück, nicht inmit­ten des Atlan­tik.

    Jetzt jeden­falls habt Ihr erst mal wie­der siche­ren Boden unter den Füßen und die Unsi­cher­heit, wie es jetzt wei­ter gehen soll macht sicher kei­ne Freu­de, aber aus der Sicht der Situa­ti­on in der Ihr wart (Wenn Du so willst, aus der Sicht des Todes) doch rela­tiv belang­los.
    Ihr lebt!!!

    Es ist natür­lich scha­de und sehr trau­rig, dass Ihr die Run­de wahr­schein­lich nicht voll­enden wer­det kön­nen.
    Viel­leicht könnt Ihr das Boot auch dort ein­mot­ten und im nächs­ten Jahr rüber holen und das Werk voll­enden.
    Aber die anste­hen­den Her­aus­for­de­run­gen hal­ten sich ver­gleichs­wei­se in Gren­zen. Ihr seid noch jung.
    Ich drü­cke die Dau­men, den­ke an Euch und bin gespannt, wie Ihr wei­ter ent­schei­det und han­delt.

    Ich wür­de gern etwas zur Not­lin­de­rung bei­tra­gen. Bit­te lasst mich daher Eure Bank­ver­bin­dung wis­sen.

    Ich schrei­be erst heu­te, weil ich selbst das Dra­ma erst mal ein biss­chen ver­ar­bei­ten muss­te.
    Euer Diet­rich

    Antworten
  2. Reinhard
    Reinhard sagte:

    Eine schö­ne Geschich­te.
    Zeigt sie uns doch, dass alle Ereig­nis­se, ob glück­li­che oder unglück­li­che, nur Moment­auf­nah­men im Leben sind.
    Ob sie zu was “gut” sind, oder nicht, weiss man immer erst spä­ter. Und “gut” oder nicht, kön­nen auch Emp­fin­dun­gen sein.
    Ihr habt auf Eurer Rei­se vie­le glück­li­che, aber auch unglück­li­che Zei­ten und Ereig­nis­se erlebt. Auf glück­li­che Zei­ten mit kari­bi­schem Flair folg­te eine unglück­li­che Krank­heit; auf einen unglück­li­chen Mast­bruch folgt die Freu­de über eine glück­lich gelun­ge­ne Rück­kehr in einen siche­ren Hafen.
    Nur Glück gibt es nicht, es gehört auch immer eine gewis­se Men­ge an Unglück dazu. Das Leben besteht aus einer Balan­ce die­ser bei­den Zustän­de. Des­halb wer­det Ihr auch spä­ter, wenn Ihr zuhau­se Eure Erleb­nis­se her­vor­holt und bei einem Glas Wein Revue pas­sie­ren lasst, mit Freu­de an die­se schö­ne Rei­se zurück­den­ken, auch wenn es “unglück­li­che” Ereig­nis­se und Zei­ten gab.
    Heu­te macht Ihr aus den gege­be­nen Umstän­den das Bes­te draus. Und es gelingt Euch gut.

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