Am Samstag, den 25. April gegen 15:00 Uhr gab es einen lauten Knall. Wir waren beide unter Deck. Als wir schnell den Niedergang herauf kamen, sahen wir, dass der Mast gebrochen war und in Lee im Wasser lag. Die Steuerbordunterwant war an ihrer oberen Befestigung gebrochen, der Mast folgte dann sofort.
Zwei Tage vorher waren wir in George Town aufgebrochen mit Ziel Azoren. Wir hatten günstigen und frischen Wind. Am ersten Tag noch am Wind, danach mit halbem Wind. Wir waren schnell unterwegs: ca. 6 – 6,5 Knoten im Durchschnitt. Auf dem Amwindkurs knallte das Boot gelegentlich in die Welle. Normalerweise mache ich mir dann Sorgen um das Rigg. Aber nach den 10 Monaten hatte ich mich etwas entspannt und dachte, dass die Ingenieure ja im Grunde genommen solche Belastungen mit einberechnet haben müssten. Als es dann passierte, hatten wir nur ca. 12 Knoten Wind. Das Großsegel war ungerefft und die Genua im 2. Reff. Ich schwanke hin und her zwischen Vorwürfen gegen mich selbst, das Boot in den zwei Tagen überlastet zu haben und der Theorie, dass es ein Materialfehler war, der sowieso zum Mastbruch geführt hätte. Im letzteren Fall können wir froh sein, dass es nicht mitten auf dem Atlantik passiert ist, sonder nur 320 Seemeilen vom Startpunkt (bzw. 250 Seemeilen von der nächsten Insel entfernt). Helga ist freundlicherweise der zweiteren Ansicht. Vor der Reise haben wir extra die Wanten und Stagen austauschen lassen, um diesen Fall zu vermeiden.
Neben den Selbstvorwürfen habe ich in den ersten beiden Tagen mit viel Ärger reagiert und nun, wo langsam alles zur Ruhe kommt, kommt viel Traurigkeit. Es tut weh, unser schönes stolzes Schiff so verkrüppelt zu sehen. Von den ganzen organisatorischen Problemen, die nun kommen, und dem finanziellen Verlust gar nicht zu reden. Wir wissen im Moment gar nicht, wie es weitergeht.
Als es passierte, war allerdings nicht viel Zeit zum Nachdenken. Als erstes haben wir das ganze Rigg vom Schiff getrennt, damit nicht noch mehr kaputt geht. Ich kam mir schon ein bisschen übervorsichtig vor, als ich vor 10 Monaten einen Bolzenschneider für diesen Fall mit an Bord genommen habe. Nun kam er tatsächlich zum Einsatz. Zum Glück war nur ca. 1 Meter Welle, sodass keine allzu große Eile geboten war. Bis zum Abend hatten wir das Rigg ab und es hing an zwei Leinen unter dem Boot. Ich wollte gerne die Segel retten, zum einen um damit zurück zu segeln zum anderen weil sie ja in Ordnung sind. Und ich wollte die UKW Antenne retten, um AIS zu haben und mit Häfen und Schiffen in der Nähe reden zu können. Dafür haben wir den ganzen nächsten Tag gebraucht. Einfach war es nicht. Ich bin oft unter das Boot getaucht, um irgendwo Leinen anzubringen, die Helga dann über die Winschen gezogen hat, um das Rigg in eine günstigere Lage zu bringen. Leider haben wir nur das Großsegel und die Antenne bergen können. Die Genua hatten wir schon fast an Bord und aus allem raus gelöst, dann rutschte sie elegant aus der Nut des Vorstages und verschwand in der Tiefe.
Wir sind in den 10 Monaten wenig motort und viel gesegelt. Auch für kurze Strecken haben wir die Segel hochgezogen, und wenn wenig Wind war haben wir uns geduldet. Das führte dazu, dass wir heute noch Diesel im Tank haben, den wir mit dem Schiff mit vollem Tank gekauft haben. Wir haben in Irland mal 80 Liter getankt und dann vor der Überfahrt zu den Kapverden nochmal 25 Liter, weil Knut drauf bestanden hat. Natürlich gibt es Sicherheit, vor längeren Überfahrten einen vollen Tank zu haben. Aber irgendwie haben wir es so verinnerlicht, mit dem Boot zu segeln, dass es uns nicht mehr so wichtig war. Außerdem ist es in George Town zu Coronazeiten nicht so einfach, Diesel zu tanken. Der wird in Kanistern zum Ankerplatz geliefert, weil wir das Ufer ja nicht betreten dürfen. So sind wir mit zwei Drittel vollem Tank gestartet, ca. 100 Liter, die uns eine Reichweite von ca. 200 Seemeilen geben. Da die Entfernung bis San Salvador 250 Seemeilen betrug, mussten wir entweder ein Schiff finden, dass uns Diesel abgibt oder ein Notrigg bauen.
Für das Notrigg wollte ich erst den Großbaum verwenden, der aber recht schwer ist. Bei inzwischen 1,5 Meter Welle schwankte das Schiff so, dass wir uns nicht mehr getraut haben zu versuchen, den Großbaum aufzurichten. Statt dessen haben wir den Teleskopbaum genommen, mit dem die Genua normalerweise auf Vorwindkursen ausgebaumt wird. Erst hatte ich Bedenken, aber er scheint gut zu halten. Im ersten Versuch haben wir ein Teil des geretteten Großsegels am neuen Mast wie ein Großsegel gesetzt. Das ging halbwegs gut bei wenig Wind. Nun haben wir aber seit gestern Morgen 5–6 Beaufort, und da ist das Boot so luvgierig, dass unsere Lisa (unsere Windselbststeueranlage) nicht dagegen ankommt. Dann haben wir das Segel am Vorstag gesetzt (einen kleinen Teil davon), und das geht wunderbar. Wir können sogar mit halbem Wind segeln. Seit gestern Morgen 3:00 Uhr haben wir besagte 5–6 Beaufort von hinten. Wir haben in der Zeit ca. 150 Seemeilen geschafft (es ist jetzt 15:00 Uhr). Vorher sind wir noch 20 Seemeilen motort, so dass wir jetzt ca. 80 Seemeilen von San Salvador entfernt sind und nach wie vor der Tank fast zu zwei Drittel gefüllt ist. Evtl. werden wir gleich nach George Town durch fahren, weil es in San Salvador keinen geschützten Ankerplatz gibt, und auch der Hafen ist sehr ungeschützt. Wenn alles gut läuft werden wir in zwei oder drei Tagen in George Town ankommen.
Was soll ich sagen, meine Vorschreiber haben das ausgedrückt was auch ich empfinde.
Zum Glück seid ihr unverletzt.
Könntet ihr denn zurück mit Motorkraft fahren, so richtig ist mir das nicht klar geworden.
Passt auf euch auf und immer die berühmte Handbreit.….….…..
Evelyn
Liebe Evelyn,
leider hätten wir nicht die ganze Strecke mit dem Motor geschafft, deshalb war es gut, dass wir das Notrigg bauen konnten, um zu segeln.
Dank und ganz liebe Grüße nach Hamburg
Helga
Liebe Helga, lieber Frank,
als ich das Wort “Mastbruch” sah, konnte ich es nicht fassen — kann das wirklich wahr sein? Nein, doch eigentlich nicht, aber es ist tatsächlich passiert — welch ein Schock, wie unwahrscheinlich! Es tut mir unglaublich leid für Euch! Aber ich bin sehr froh, dass Ihr unversehrt seid, welch ein Segen, dass Ihr gerade unter Deck wart — es hätte um 15:00 Uhr anders sein können! Und dennoch — einfach schrecklich! Dann aber habt Ihr Meisterleistungen vollbracht, Du mit all Deinem Wissen und Knowhow, Frank, und Ihr beide mit Eurer Geschicklichkeit, Übersicht, Ausdauer und vollem Körpereinsatz. Dass Euch die Genua in letzter Sekunde — fast geborgen — dann noch entschwand, ist auch äußerst bedauerlich, aber das Wichtigste konntet Ihr immerhin retten! Und wie gut im Unglück, dass Ihr noch nicht all zu weit von den Bahamas entfernt wart und jetzt sogar mit der Behelfskonstruktion überwiegend segeln könnt — meisterlich, meine Hochachtung!
Ich dachte auch, dass alle Arten von Schiffen viel aushalten können und müssen, auch so eine Segelyacht wie Eure. Schiffe können ja sehr alt sein und trotzdem voll funktionstüchtig. Und so habe ich vielleicht noch eine dritte Theorie, warum Euch das passierte: Es sollte so sein (?). Hm, Baba sagt: Nichts geschieht ohne den Willen Gottes. Dies ist dennoch eine extreme Prüfung, die ich keinem jemals wünschen würde, die Ihr aber bisher so gut gemeistert habt.
Und wenn Ihr es dann an Land geschafft habt, wird der Mastbruch ja noch sehr gravierende Folgen haben, wie Du auch schreibst.… Dafür wünsche ich Euch auch, dass sich Lösungswege auftun.…
Jetzt erst einmal wünsche ich Euch, dass Ihr wohlbehalten in den sicheren Hafen von George Town zurück kommt und dort Lösung und Hilfe findet!
Weiter allen göttlichen Segen und Beistand, alles Liebe, Dagmar
Danke, liebe Dagmar!
Ich schließe mich der dritten Theorie an, auch wenn es schließlich Erklärungen geben wird, was sich ja nicht gegenseitig ausschließt.
Om Namah Shivaya
Helga
Ihr Lieben,
wir sind von eurem Erlebnis erschüttert. Wie gut, dass ihr euch unter Deck befunden habt und ihr nicht verletzt seit!!! Ihr habt erlebt, was für uns der absolute Alptraum ist. Ihr seid echte Helden!!! Bleibt zuversichtlich. Wir sind in Gedanken bei euch und senden euch Kraft. Viele liebe Grüße und eine innige Umarmung von Carola und Martin. (vor Anker in Antigua)
Liebe Carola, lieber Martin,
danke für Eure lieben Grüße. Es tut gut, von Euch zu hören, Freunde, die mitfühlen.
Wir liegen nun auch wieder vor Anker und blicken nach vorne.
Ganz liebe Grüße nach Antigua
Helga
Hallo Helga hallo Frank,
als wir von eurem Mastbruch gehört haben waren wir echt erschrocken und geschockt. Das ist ja ein Albtraum für jeden Segler, aber das Schlimmste habt ihr hoffentlich überstanden. Wir drücken euch die Damen, dass das Wetter weiterhin mitspielt und ihr bald wieder im Hafen von George Town ankommt.
Liebe Grüße Peter und Wally
Liebe Wally, lieber Peter,
als Segler könnt Ihr den Schock gut nachvollziehen. Ganz herzlichen Dank für Eure guten Wünsche.
Alles Liebe
Helga