Die Inseln Antigua und Barbuda bilden gemeinsam mit dem felsigen, unbewohnten Eiland Redonda einen gemeinsamen Staat und unterscheiden sich in mancherlei Hinsicht von den weiter im Süden liegenden Kleinen Antillen. Die Küstenlinie von Antigua ist zerklüftet und besitzt viele Buchten und Einschnitte. Da die ganze Insel von Korallen-Riffen umgeben ist, gibt es unzählige weiße Sandstrände. Nach unserer Ankunft ankerten wir vor einem weißen Strand mit einigen Palmen südlich von Jolly Harbour und ich war ganz glücklich: Endlich sieht die Karibik wie Karibik aus! In Jolly Harbour erledigten wir alle Formalitäten bei customs, immigration und port authority und tankten Wasser. Ich war im Supermarkt gewesen und Frank wollte noch schnell die lokale SIM-Karte von Digicel verlängern. Während ich unter Deck war, rollte sich plötzlich die Genua von alleine aus (wie ist das möglich??) und flatterte im Wind. Noch bevor ich sie wieder einziehen konnte, entdeckte ich eine aufgegangene Naht. Damit war klar, dass das Segel zum Segelmacher musste. Der nächste und wahrscheinlich auch einzige Segelmacher von Antigua hat seine Werkstatt in English Harbour und während unsere Genua mit dem Taxi in den Süden der Insel gebracht wurde, saßen wir drei Tage in der Jolly Harbour Marina fest. Beim Abholen erfuhren wir, dass die tropische Sonne die Nähte der Segel so angreift, dass sie aufgehen können und wir nahmen uns vor, nun noch konsequenter das blaue „Verhüterli“ über die Genua zu ziehen, auch wenn wir nur einen einzigen Tag nicht segeln.
Von Jolly Harbour aus segelten wir vor der Küste nordwärts. Da Antigua nicht so hoch ist, hatten wir auch in Lee der Insel genug Wind, dazu die hübsche Küste mit ihren hellen Stränden, so macht Segeln Spaß. Im Norden kreuzten wir durch den Boon Channel zwischen unzähligen Steinen und Riffen hindurch, bis wir den Parham Sound erreichten und vor Long Island, einer Insel mit luxuriösen Resorts, die erste Nacht ankerten. Der Nordosten ist gespickt mit Korallenriffen und Untiefen und man muss sehr genau navigieren. Wenn die Sonne hoch genug steht, kann man den Untergrund gut erkennen und wir haben gefunden, dass die elektronischen Seekarten sowie das GPS sehr genau waren und mit der tatsächlichen Wassertiefe übereinstimmten. Das Wasser war ruhig, denn durch den Schutz der vorgelagerten Korallenriffe kamen kaum Wellen herein. Vor der unbewohnten Insel Great Bird Island fanden wir einen netten Ankerplatz und verbrachten zwei traumschöne Tage dort. Gleich neben dem Ankerplatz bot sich ein Riff zum Schnorcheln an und mit dem Dinghi erkundeten wir die flachen Gewässer zwischen den kleineren Inseln. Beim Landgang auf Great Bird Island bestaunten wir die der Trockenheit angepasste Vegetation mit vielen Kakteen im Inneren und Mangroven an den Ufern. Außerdem entdeckten wir einige Antiguan Ground Lizards, eine Eidechsenart, die es nur auf Antigua und Barbuda gibt.
Um den North Sound von Antigua zu verlassen, muss man seinen Weg durch die vielen Korallenriffe finden. Wir hatten bemerkt, dass einige offensichtlich mit der Örtlichkeit vertraute Schiffe direkt hinter dem Riff nördlich von unserem Ankerplatz passierten und in der Bucht vor dem Nordstrand von Great Bird Island ankerten. Laut der Seekarte könnte man von dort aus nördlich der Insel den freien Ozean erreichen. Bei unserem Besuch auf Great Bird Island hatte Frank die Passage von oben studiert. Es könnte klappen. Als wir am Morgen vom Ankerplatz aufbrachen, stand ich ganz vorne am Bug und behielt die Wassertiefe im Auge. Mal rechts und mal links neben der SAI MANGALAM gab es türkisfarbene Flecken, die in der Mitte in ein deutliches Gelb-Braun übergingen: Riffe direkt unter der Wasseroberfläche. Aber noch war in dem Kanal dazwischen für unseren 1,60m tiefen Kiel genug Raum. Dann sah ich, dass es vor uns im Wasser gelblich schimmerte und die Felsen auf dem Grund deutlich sichtbar wurden. Ich signalisierte Frank, der hinten am Steuer stand, dass er sehr langsam fahren sollte, was er sowieso tat, weil der Tiefenmesser nun unter 2m anzeigte, als es plötzlich auch schon rummste. Wir hatten auf den Felsen im flachen Wasser aufgesetzt. Frank schaltete sofort auf Rückwärtsfahrt und wir schoben uns langsam wieder in tieferes Wasser. Dann wendeten wir und suchten uns einen etwas weiteren, dafür aber sichereren Ausweg. Als er am nächsten Ankerplatz den Rumpf der SAI MANGALAM von frischem Bewuchs befreite, untersuchte Frank auch den Kiel. Aber zum Glück war nur etwas Antifouling abgekratzt.
Zwischen den Inseln Antigua und Barbuda blies der Passat mit seinen gewohnten 15 bis 20kn und ohne die schützenden Riffe baute sich eine Welle von 2m auf. Wir konnten anliegen und segelten am Wind direkt in Richtung Barbuda.
Wenn man sich Barbuda nähert, kann man es erst sehr spät sehen, denn die Insel ist so flach, dass sie sich kaum über den Horizont erhebt. Je näher man kommt, um so klarer werden die Farben. Im Sonnenlicht leuchtet das Wasser in einem unglaublichen Türkis. Die gesamte Insel ist von weiß-goldenem Sand umgeben. Dazu das Blau des Himmels mit vielen weißen Wölkchen und einige grüne Palmen und Mangroven. Der Low Bay, wo wir ankerten, besitzt einen 10km (!) langen, reinen, hellen Sandstrand, nahezu unbebaut. Als wir in die Bucht hinein segelten, empfing uns eine kleine Meeresschildkröte, die neben der SAI MANGALAM aus dem Wasser schaute und dann wieder in dem lichten Türkis verschwand. Das leuchtende Türkisblau des Meeres, das warme Weiß des Strandes und das tiefe Blau des Himmels sind einfach überirdisch! Als wir dann mit dem Dinghi zum Strand hinüber gefahren waren, sahen wir, dass der Sand keinesfalls weiß war, sondern eher hellgolden und zeitweise so rosa wie Himalaya-Salz. Das Meer strahlte über dem hellen Sandboden in allen Farbtönen zwischen türkisblau und mintgrün. So müssen die Farben im Paradies sein. Wahnsinn! Wie Frederick, die Feldmaus, müssen wir tief in uns Vorräte von diesen Farben anlegen und sie an trüben, dunklen Tagen hervorholen!
Zum Ausklarieren war es nötig, die Hauptstadt der Insel aufzusuchen, denn wir wollten nun den Staat „Antigua und Barbuda“ verlassen. Codrington liegt am Ufer einer großen Lagune im Westen Barbudas. Zum Glück gab es eine Durchfahrt, so dass wir mit dem Dinghi in die flache Lagune hineinfahren und den Ort aufsuchen konnten. Eine Seefahrt von immerhin fast 2sm. Unser kleines Dinghi hüpfte auf den Wellen, die sich in der ausgedehnten Lagune aufgebaut hatten und das Wasser spritzte nur so, dass ich ordentlich nass wurde.
In Codrington war seit dem Hurrikan Irma, der im September 2017 die Insel traf, noch der größte Teil der Gebäude zerstört. Oft sah man, dass die Familie in einem Zelt auf den Überresten des alten Fundamentes lebt, während daneben ein neues Wohnhaus errichtet wird.
Nachdem den Formalitäten genüge getan war, ließen wir uns quer über die Lagune zu den Brut-Kolonien der Fregattenvögel fahren. Irma hatte auch die Mangroven tüchtig gestutzt, aber die Fregattenvögel bauten ihre Nester nun einfach in 3m Höhe statt oben auf den hohen Bäumen und es war sehr interessant, diese großen Vögel, deren charakteristische Silhouette mit dem Schwalbenschwanz ich schon oft am karibischen Himmel bewundert hatte, einmal von ganz nah zu erleben.
Auf Barbuda gibt es so wenig Tourismus, dass wir keine einzige Bar oder ein Café fanden. Um eine Pause von der Hitze zu machen, kauften wir uns im Supermarkt kalte Getränke und setzten uns auf eine Bank im Schatten davor. Gleich in der Nähe des Mobilfunkmastes hatten wir dort auch Empfang, der zumindest für ein paar WhatsApps und ein paar Internetseiten reichte.
Für die nächsten Tage war leider nur sehr wenig Wind voraus gesagt. Für die geplanten rund 80sm von Barbuda nach Saint Martin hätten wir schon bei normalen Passat-Windverhältnissen 14 Stunden gebraucht. Wir suchten ein Wetterfenster mit den bestmöglichen Bedingungen aus und waren trotzdem 25 Stunden unterwegs. Der Wind kam genau von hinten und die Wellen schaukelten uns mächtig durch. Obwohl der scheinbare Wind oft unter 8kn war, hat unsere Lisa aber zuverlässig gesteuert und wir waren froh, als wir uns Saint Martin kurz nach Sonnenaufgang von Osten her näherten.
Noch eine kleine Ergänzung von mir für potentielle Chartersegler in der Karibik: Das ist die Gegend, wo ich chartern würde. Antigua hat viele hübsche Buchen mit unzähligen Stränden. Da die Insel nicht so hoch ist, kann man in Lee auch wirklich segeln. Entweder könnte man direkt in Antigua chartern und dann gemütlich Antigua und Barbuda erkunden oder wer mehr segeln möchte, könnte in Guadeloupe chartern und von da nach Antigua und Barbuda segeln. Guadeloupe hat den Vorteil, dass es in Frankreich ist und somit fast europäischen Standard hat. Evtl. tue ich den Grenadinen zwischen St. Vincent und Grenada unrecht, der Törn dort fiel wegen meiner Krankheit für uns aus.
Da habt Ihr aber jetzt doch noch die landschaftliche Vielfalt, nicht nur Vulkanismus und Übervölkerung, der karibischen Inselwelt entdecken und genießen können, lange Sandstrände, Riffs, die reiche Vogelwelt.
Und immer wieder die unerwarteten Schäden, wie jetzt die aufgehenden Nähte an der Genua. Kann man nun wirklich nicht dran denken.
Die wieder anschaulichen Bilder zeigen auch, dass Ihr Beide offenbar weiter frohen Muts seid und noch nicht zu viel Heimweh habt.
Machts weiter so gut!
Euer Dietrich
Lieber Dietrich,
wir haben uns wirklich sehr über die Naturerfahrungen in Antigua und Barbuda gefreut, diese Abwechslung kam gerade recht. Auch die aufgegangene Naht hatte ihr Gutes, denn der Segelmacher hat gleich alle gefährdeten Nähte verstärkt.
Herzliche Grüße
Helga