Als Kolumbus am 1. November 1493 das kleine Archipel etwa 8 sm südlich von Guadeloupe entdeckte, nannte er es „Los Santos“. Die Heiligen liegen so günstig auf dem Weg von Dominica nach Norden in Richtung Guadeloupe, dass kaum eine Segelyacht umhin kann, in dem hübschen Naturhafen von Terre de Haut einen Zwischenstopp einzulegen. Eigentlich wollten wir nur zum Zoll, um einzuklarieren und dann gleich in eine etwas stillere Ankerbucht umziehen, denn wie man sich vorstellen kann, war die ganze Bucht voller Schiffe. Die geschäftstüchtigen Franzosen („Les Saintes“ gehören zu Guadeloupe, was wiederum ein französisches Übersee-Departement ist) hatten in der Bucht zwei große Felder mit kostenpflichtigen Mooringbojen angelegt. In den Mooringfeldern, sowie an fast allen anderen guten Ankerplätzen von Terre de Haut war das Ankern verboten. An anderen Orten hatten wir bereits erlebt, dass Mooringboojen zum Schutz des Meeresbodens ausgelegt werden, insbesondere, wenn schützenswerte Riffe in der Nähe sind, aber auf den Heiligen war die kommerzielle Absicht offensichtlich. Zunächst war ich von den bergigen Inselchen und dem hübschen Ort mit den bunten Häusern und ihren filigranen, weißen Verzierungen begeistert und so blieben wir noch in der überfüllten Bucht. Unermüdlich brachten Schnellfähren von Guadeloupe Tagesgäste auf die Insel, die zu den Stränden und in die Restaurants strömten. Wir schnorchelten bei dem Wrack der Fähre Lynndy, wanderten auf den 120m hohen Morne Morel, badeten am Plage de Pompierre und verbrachten zwei nette Abende beim Sundowner mit Wiebke und Ralf von der FLORA. Doch je länger wir blieben, desto mehr kam mir das Dorf mit seinen teuren Boutiquen, echt karibischen Bars und Restaurants wie eine perfekt gestaltetet Kunstwelt vor. Die Flora und Fauna von Terre de Haut schien sich in von Ziegen kahlgefressenen Grasflächen und wenigen Wäldern zu erschöpfen. Sogar Leguane hielt man hier auf eingezäunten Wiesen. Als dann die von den Höhen der Insel abgelenkten, wechselnden Winde immer wieder die Mooringboje an den Schiffsrumpf der SAI MANGALAM schlugen, verließen wir kurzerhand die Boje und damit den Ort, obwohl wir noch für eine weitere Nacht bezahlt hatten. Wir ankerten noch für eine Nacht an einem sehr rolligen, schaukeligen Platz weiter draußen und machten uns am nächsten Morgen früh auf die Überfahrt nach Guadeloupe.
Die auf den Heiligen gemachten Erfahrungen spiegeln recht gut mein Erleben auf den Kleinen Antillen bisher. Klar, nahezu überall findet man noch mehr (auf den ehemals britischen) oder weniger (auf den französischen Inseln) naturbelassene Areale, seien es Nebel- und Regenwald, Mangrovensümpfe, Strände und Unterwasserlandschaften. Ebenfalls auf den früheren britischen Kolonien verkaufen die Einwohner noch viel selbst produziertes Obst und Gemüse am Straßenrand und auf den Samstags-Märkten. Orientiert man sich an den im Revierführer und Travelguide empfohlenen best places to visit und hikes to do, dann erlebt man eine wundervolle Zeit voller fantastischer Eindrücke. Eigentlich könnte man doch so weiterleben, vier Monate in der Karibik – eine tolle Zeit. Trotzdem macht mich das Erlebte manchmal traurig. Wahrscheinlich hatte ich insgeheim so eine romantische Vorstellung von einer heilen Welt. Dass die Einwohner einer Insel einen Teil des fruchtbaren Landes bestellen, um davon zu leben, Bananen und Rum exportieren und ansonsten Regenwald und Korallenriffe respektieren und schützen. Weit gefehlt! Auf Guadeloupe kommen die Zwiebeln im Supermarkt aus Holland und der größte Teil des Obst- und Gemüseangebotes vom großen Bruder Frankreich. An vielen Orten scheint sich die familiäre Ursprünglichkeit zugunsten einer künstlichen, touristischen Fassade zu verwandeln, weil sich damit offenbar mehr Geld verdienen lässt. Zwei oder drei weiße Segelyachten in einer Bucht mögen ja noch ganz idyllisch sein, aber tausende sind einfach zu viel! Tausende strömen täglich von den Kreuzfahrtschiffen, tausende steigen aus den Fliegern von Europa und Nordamerika, tausende stehen auf Martiniques zwei- und dreispurigen Straßen im Stau. Vormittags bewundert man die Fische beim Schnorcheln und abends landen sie tot auf dem Teller. Manchmal befürchte ich, dass der Ausverkauf des Paradieses im vollen Gange ist.
Doch es ist ein Dilemma, denn schließlich sind wir selbst mit einem von diesen tausenden Booten unterwegs.
Grüßt Euch, Helga und Frank, nachdem ich 2 Wochen zusammen mit Euch auf dem Boot verbringen durfte kann ich jetzt auch von zu Hause aus viel besser nachvollziehen und mir vorstellen, was Ihr so detailgetreu berichtet. Die touristische Überflutung müssen wir hinnehmen. Preis des technischen Fortschritts.
Jedenfalls konnte ich sehen, dass Ihr doch noch einige der bisher vermissten “Trauzmstrände n” gefunden habt und auf Guadeloupe die benötigten Dinge gefunden habt.
Genießt weiter die Erlebnisse und habt Freude aneinander. Euer Dietrich