Wir kom­men nun lang­sam in den Bereich der ste­tig wehen­den Win­de. Kei­ne Ahnung, ob man das schon Pas­sat nennt, aber zwi­schen Madei­ra und den Kana­ren weht ein recht bestän­di­ger Wind aus Nord­ost. Da wir Kurs Süd­ost vor uns hat­ten, bedeu­tet das hal­ber Wind. End­lich! Nicht mehr star­ker Wind von vor­ne, wie wir ihn im Nor­den oft hat­ten oder ganz schwa­cher Wind von hin­ten, wie wir ihn seit Spa­ni­en hat­ten, son­dern ein ordent­li­cher Wind der Stär­ke 4–5 von der Sei­te. So rech­ne­ten wir mit einer beque­men und zügi­gen Über­fahrt. Es waren zwar 2 Meter Wel­le ange­sagt, aber ange­sichts der Schau­ke­lei in der Ver­gan­gen­heit mit den schwa­chen ach­ter­li­chen Win­den, haben wir dem kei­ne gro­ße Bedeu­tung bei­gemes­sen. Nach­dem wir den Hafen ver­las­sen hat­ten, gab es aber statt des­sen sehr leich­ten Wind aus Süd­wes­ten, genau ent­ge­gen dem ange­sag­ten Wind. Das ist der enor­me Ein­fluss der 1800m hohen Insel. Es ist immer wie­der erstaun­lich, wie stark Land­mas­sen den Wind sowohl in Rich­tung als auch in der Stär­ke beein­flus­sen kön­nen. Nach einer Zeit war gar kein Wind mehr, man sah aller­dings in geschätzt einer See­mei­le Abstand Schaum­köp­fe auf den Wel­len. Wir wun­der­ten uns noch, schließ­lich waren wir aus der Abde­ckung von Madei­ra her­aus und statt des­sen in einer Düse zwi­schen Madei­ra und einer klei­nen Nach­bar­in­sel. Inner­halb von weni­gen Minu­ten frisch­te der Wind von Stär­ke 1–2 auf Stär­ke 6 auf. In Böen haben wir sogar 7 gemes­sen. Gro­ße Auf­re­gung und Hek­tik, aber als schließ­lich das 2. Reff im Groß war und die Genua über die Hälf­te ein­ge­rollt war, ging die Rei­se end­lich wie geplant los. Lisa steu­er­te zuver­läs­sig und da wir es nicht eilig hat­ten, konn­ten wir etwas weni­ger Segel als mög­lich fah­ren, so dass wir uns sicher fühl­ten. Aller­dings gab es dann doch alle paar Stun­den ein feuch­te Über­ra­schung, wenn es wie­der eine Wel­le bis ins Cock­pit geschafft hat. Wenn wir Glück hat­ten, waren wir bei­de gera­de unten oder zumin­dest im Schutz der Spray­hood. Ein­mal hat es mich erwischt, sodass ich kom­plett bis auf die Haut durch­ge­nässt war und mich voll­stän­dig umzie­hen muss­te. Ölzeug haben wir nicht mehr an. Es ist tags­über T‑Shirtwetter und nachts genügt eine Fleece­ja­cke dazu. Nachts hat es sogar mal eine Wel­le bis run­ter in den Salon geschafft. Blö­der­wei­se hat­te ich in der Ach­ter­ka­bi­ne eine klei­ne Luke zum Cock­pit offen, sodass etwas Was­ser bis ins Bett kam. Lei­der haben wir auch irgend­wo auf der Steu­er­bord­sei­te an Deck ein klei­nes Leck, das ich noch nicht loka­li­siert habe. Wenn die Wel­len über Deck kom­men, gelangt so immer etwas Was­ser ins Schiff, läuft in der Vor­der­ka­bi­ne die Wand her­un­ter und hat sich letzt­lich in einem Fach in mei­nen Gum­mi­stie­feln gesam­melt. Ins­ge­samt war es aber anders als es jetzt klingt tat­säch­lich eine schö­ne Über­fahrt, der Blog muss ja auch die klei­nen Dra­men an Bord wider­spie­geln. 🙂

Wir haben eine klei­ne etwas unbe­kann­te­re Insel hier im Nord­os­ten der Kana­ren ange­steu­ert: La Gra­cio­sa – die Anmu­ti­ge. Wir lie­gen hier in einer sehr schö­nen Anker­bucht mit Sand­strand mit nur sehr wenig Schwell. Eigent­lich müss­te man hier eine Erlaub­nis zum Ankern haben. Ande­re Schif­fe haben ver­sucht, die­se per E‑Mail zu bean­tra­gen, haben aber nie Ant­wort erhal­ten. Den Sinn kann man nicht ver­ste­hen. Wenn alle ein Anrecht auf das Per­mit haben, kann man sich den gan­zen Auf­wand auch spa­ren. Ja, so ist das mit der Frei­heit der Mee­re inzwi­schen. Aber das Gute an Büro­kra­tie ist ja auch, dass sie letzt­lich an sich sel­ber schei­tert. So gibt es hier nie­man­den, der das über­flüs­si­ge Per­mit kon­trol­liert. Sicher­heits­hal­ber haben wir AIS aus­ge­schal­tet, falls es irgend­wo jeman­den geben soll­te, der vom Schreib­tisch aus kon­trol­lie­ren möch­te.

Die Insel sel­ber ist zau­ber­haft. Sie ist nur ca. 10km lang und hat nur ein paar Hun­dert Ein­woh­ner. Das gefällt mir bes­ser als Madei­ra mit der Groß­stadt Fun­chal, wo man sich mit schwer recher­chier­ba­ren Bus­ver­bin­dun­gen her­um schla­gen muss­te, wenn man die Insel erkun­den woll­te. Hier fah­ren wir mit unse­rem Dinghi an Land und los geht’s. Fast täg­lich gehen wir 3km in den Ort, um im klei­nen Super­markt und Bäcker ein­zu­kau­fen und unser Fei­er­abend­bier in einer klei­nen Bar am Hafen zu genie­ßen. Die Insel besteht nur aus Vul­kan­ge­stein und Sand. Über­all ist Sand, die Stra­ßen bestehen aus Sand, selbst in der Ort­schaft. Man fühlt sich schon an Afri­ka erin­nert und wahr­schein­lich ist der gan­ze Sand ja auch tat­säch­lich von Afri­ka her­über­ge­weht. Manch­mal den­ke ich, etwas grün wäre auch schön, aber irgend­wie ist die­se nahe­zu natur­be­las­se­ne Insel so wie sie ist den­noch ganz voll­stän­dig. Wenn wir die Insel durch­strei­fen, erle­ben wir oft eine tie­fe Stil­le und Frie­den.

Offen­sicht­lich sind sämt­li­che atlan­ti­schen Inseln vul­ka­ni­schen Ursprungs. Das ist die ein­zi­ge Mög­lich­keit, wie Land von dem 4000m tie­fen Mee­res­bo­den bis über die Ober­flä­che empor­stei­gen kann. Und so ist auch Gra­cio­sa mit ein paar alten Vul­kan­hü­geln geseg­net. Ber­ge zie­hen mich fast so sehr an, wie das Was­ser. Wenn ich nicht auf einem Boot im Atlan­tik wäre, wäre ich viel­leicht im Hima­la­ya (na zum Glück nicht, ich bezwei­fe­le, ob Hel­ga da mit­kom­men wür­de). Und so ging die ers­te Wan­de­rung gleich auf den Vul­kan­hü­gel vor unse­rer Haus­tü­re. Wir wur­den mit einem fan­tas­ti­schen Aus­blick belohnt. Das Meer wird immer blau­er und an den Sand­strän­den nimmt es eine schö­ne tür­kis­far­be­ne Fär­bung an. Ges­tern haben wir eine län­ge­re Wan­de­rung (16km) unter­nom­men und haben einen wun­der­ba­ren Strand auf der Luvsei­te der Insel besucht. Dort bricht sich der immer vor­han­de­ne Schwell und man kann viel Spaß in den Bran­dungs­wel­len haben. Für uns war es der viel­leicht schöns­te Strand der Rei­se bis­her. Es ist zwar ein abso­lu­tes Kli­schee, aber schein­bar machen Son­ne, wei­ßer Sand und war­mes Meer den Men­schen rela­tiv zuver­läs­sig glück­lich. Jeden­falls sind alle ganz ent­spannt hier und es ist gene­rell easy going.

Und end­lich ist das Was­ser warm genug zum Baden. Wir haben kein Ther­mo­me­ter dabei, aber laut Inter­net soll das Was­ser zwi­schen 20 und 23 Grad warm sein und so fühlt es sich auch an. Bis Por­tu­gal war das Was­ser nur maxi­mal 17 Grad warm. In Madei­ra war das Was­ser zwar auch schon warm, aber da waren wir nur in Häfen und hat­ten kei­ne Gele­gen­heit, am Strand zu baden. Hel­ga war bis­her gar nicht im Was­ser und ich nur sel­ten ganz kurz, um das Feh­len einer war­men Dusche an Bord zu kaschie­ren (wir haben zwar eine Dusche, aber die wür­de unse­re kost­ba­ren Süß­was­ser­vor­rä­te doch arg angrei­fen, außer­dem kön­nen wir das Was­ser nicht hei­zen, es sei denn wir fah­ren unter Motor). So haben wir nun end­lich die Tau­cher­bril­len, Schnor­chel und Flos­sen her­aus­ge­holt und die Unter­was­ser­welt erkun­digt. Hel­ga brauch­te eini­ge Über­win­dung dazu, war aber hin­ter­her sehr glück­lich. Die Tau­cher­aus­rüs­tung, die sie von ihren Kol­le­gen bekom­men hat, funk­tio­niert bes­tens. Ich sel­ber habe mir nach einem ers­ten Fehl­ver­such den Bart abra­siert, damit weni­ger Was­ser in die Mas­ke ein­drin­gen kann. Am Strand sel­ber gibt es unter Was­ser nicht viel zu sehen, aber sobald man zu den fel­si­gen Abschnit­ten schwimmt, fin­det man eine rei­che Unter­was­ser­fau­na. Wir haben vie­le bun­te Fische gese­hen, wie man sie in einem Aqua­ri­um erwar­ten wür­de. Vie­le klei­ne Fische, aber auch ein paar gro­ße Fische, klei­ne Schwär­me oder ein­zel­ne Fische. Die Fische sind ganz ent­spannt und las­sen uns bis auf ein zwei Meter her­an. Wir haben sie „Kana­ri­en­fi­sche“ getauft. Schließ­lich sind wir auf den Kana­ren und sie sind genau­so hübsch wie die Kana­ri­en­vö­gel.

In der Bucht lie­gen wir nicht allei­ne, son­dern mit ca. 20 ande­ren Schif­fen zusam­men. Inzwi­schen sind die Blau­was­ser­seg­ler unter sich. Es gibt kei­ne Char­ter­seg­ler mehr. Alle, die hier in der Bucht sind, sind min­des­tens für 1 Jahr unter­wegs. Die meis­ten wol­len auch den Atlan­tik über­que­ren, eini­ge pla­nen auch eine gan­ze Welt­um­run­dung. Die Stim­mung unter­ein­an­der ist gut, schließ­lich teilt man das glei­che Aben­teu­er. Auch ist es für vie­le das ers­te Mal über den Atlan­tik und um so mehr möch­te man hören, wie es den ande­ren geht und wie sie sich vor­be­rei­tet haben. Vor ein paar Tagen sind wir schließ­lich zum Gril­len am Strand ein­ge­la­den wor­den. Das gemein­sa­me Gril­len am Strand scheint bei den Blau­was­ser­seg­lern wohl weit ver­brei­tet zu sein. Na so rich­tig glück­lich waren wir nicht. Nor­ma­ler­wei­se hal­ten wir uns ger­ne von Grills fern, wo Fleisch zube­rei­tet wird. Aber wir waren neu­gie­rig und woll­ten kei­ne Spiel­ver­der­ber sein. Zum Glück wur­de dann nur ganz am Ran­de gegrillt und es war kein Pro­blem. Statt des­sen wur­de am Strand Fuß­ball gespielt, was gro­ßen Spaß gemacht hat. Das letz­te Mal, dass ich am Strand Fuß­ball gespielt habe, war ca. 1992 auf Kor­si­ka.

Lei­der müs­sen wir nun wei­ter. Aber es ist wie immer, wir müs­sen einen schö­nen Ort hin­ter uns las­sen und ent­de­cken dafür neue schö­ne Orte. Eigent­lich woll­ten wir heu­te schon wei­ter, um am Don­ners­tag in Fuer­te­ven­tu­ra unse­re neue Mit­seg­le­rin Dag­mar auf­zu­neh­men. Ein letz­ter Check des Wet­ters ges­tern Nacht ergab aber, dass heu­te der Wind erst gegen 16 Uhr auf­le­ben soll. So haben wir uns kur­zer­hand ent­schlos­sen, erst mor­gen zu fah­ren, da dann den gan­zen Tag über Wind sein soll. Die Wet­ter­vor­her­sa­ge ist wie­der mal nicht per­fekt, der Wind weh­te doch schon seit heu­te mor­gen. Aber egal, wir genie­ßen den Zusatz­tag und nach Fuer­te­ven­tu­ra schaf­fen wir es alle­mal in 48 Stun­den.

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