Ein völlig unverzichtbarer Ausrüstungsgegenstand ist die Windselbststeueranlage. Wenn wir draußen längere Strecken unterwegs sind, ist das Steuern keine Freude mehr sondern Arbeit. Die Selbststeueranlage spart dann genau 24 Arbeitsstunden pro Tag. Gerade Nachts, wenn es kalt oder ungemütlich ist und wenn man fern von Berufsschifffahrtsstraßen ist, kann der Wachhabende sich nach unten verziehen und lediglich alle 10 bis 20 Minuten nach dem rechten gucken. Die Windselbststeueranlage hält immer einen konstanten Winkel zum Wind. Es gibt auch elektrische Selbststeueranlagen, die einen konstanten Kurs beibehalten. Diese sind viel weiter verbreitet als die Windselbststeueranlagen. Allerdings kosten sie eine Menge Strom und kommen somit für uns nicht in Frage. Der große Vorteil der elektrischen Selbststeueranlage ist, dass sie viel einfacher zu handhaben sind und mal schnell in der Hafeneinfahrt angestellt werden können, sodass auch eine Person alleine die Segel setzen oder bergen kann. Wir hatten überlegt, zusätzlich zur Windselbststeueranlage eine elektrische Selbststeueranlage anzuschaffen, sind jedoch vor den Kosten zurück geschreckt. Die Windselbststeueranlage ist jedoch für uns unverzichtbar.
Da die Anlage so wichtig ist und immer mal auch ihren eigenen Willen entwickelt, ist es fast nicht zu vermeiden, dass sie personifiziert wird. Wir sprechen oft liebevoll über unsere Lisa. Ohne dass wir es geplant hatten, nannten wir sie am Anfang Lisa oder Susi. Dann nannten wir sie Lisa, wenn sie gut arbeitete und Susi, wenn sie verkehrt steuerte. Heute heißt sie nur noch Lisa.
Die ersten Windsteueranlagen bestanden nur aus einer großen Fahne aus festem Material, die man mit dem Wind ausrichtete. Dreht sich das Boot aus der gewünschten Fahrtrichtung, so wurde die Rückstellkraft einfach auf ein kleines Zusatzruder übertragen, welches das Boot zurück drehen sollte. Die Steuerkräfte einer solchen Anlage sind jedoch so gering, dass das nur funktionierte, wenn das Boot sehr gut getrimmt war und quasi auch von selbst fast geradeaus gefahren wäre. Zwei geniale Verbesserungen sorgen dafür, dass die heutigen Windselbststeueranlagen schon bei wenig Wind und bei allen Kursen funktionieren. 1. Die Drehachse der Windfahne ist nicht mehr senkrecht sondern waagerecht. Das hat zur Folge, dass beim Drehen des Bootes aus der gewünschten Richtung die Fahne quasi wie ein Tragflügel wirkt. Die Kräfte, die die Windfahne zur Verfügung stellt sind nun höher als bei der ursprünglichen Anordnung. Jedoch wären die Kräfte immer noch zu gering, um direkt ein Zusatzruder anzusteuern. Aber zumindest kann man nun die Windfahne wesentlich kleiner bauen. 2. Die zweite Verbesserung beinhaltet quasi einen Steuerkraftverstärker. Und zwar gibt es ein sogenanntes Pendelruder, welches drehbar ist wie ein normales Ruder, aber zusätzlich quer zur Fahrtrichtung schwingen kann. Die Steuerkraft der Windfahne wird nun benutzt, um das Pendelruder aus der Mittschiffsrichtung zu drehen. Dies führt durch die Wasserströmung der fahrenden Yacht dazu, dass das Pendelruder kräftig ausschlägt. Diese Kraft wird nun benutzt, um über Seilzüge das normale Schiffsruder zu betätigen. Der Hersteller schreibt, dass diese Kräfte eine Größe erreichen können, die der Schwerkraft von 200kg entsprechen. Damit lässt sich nun ganz locker das Schiff steuern.
Dennoch braucht es einigen Geschickes und Erfahrung, das Schiff in die gewünschte Richtung fahren zu lassen. Die Selbststeueranlage hat zwar eine Gradeinteilung, wo man den Winkel zum Wind einstellen kann, jedoch ist das kein Vorgang, der das Schiff dann wie auf Schienen in die gewünschte Richtung fahren lässt. Wichtig ist, dass das Schiff auch hier gut getrimmt ist, d.h. es sollten keine großen Kräfte existieren, die das Schiff nach Luv oder Lee drehen wollen. Allerdings kann das Ruder vorher angestellt werden, sodass schon bei Nullstellung der Selbststeueranlage eine konstante Ruderkraft der Luv- oder Leegierigkeit entgegenwirkt. Insgesamt ist es so, dass man alle Einflussgrößen: Segelstellung, Größe der Segelfläche, Verteilung der Segelfläche auf Vor- und Großsegel, Windgeschwindigkeit, Rudervoranstellung und Konfiguration der Windselbststeueranlage so ins Gleichgewicht bringen muss, dass der gewünschte Kurs anliegt. Manchmal gelingt das in einer Minute, aber manchmal benötige ich auch 20 Minuten dafür. Der eigentliche Effekt der Selbststeueranlage ist dann, dass sie aus dem Gleichgewicht ein stabiles macht. D.h. jede Drehung des Schiffes führt automatisch zu einem rückstellenden Drehmoment. Sobald sich z.B. die Windstärke ändert, muss der gesamte Vorgang wiederholt werden.
Das ganze funktioniert bei uns ab ca. 6 Knoten scheinbaren Windes auf fast allen Kursen. Lediglich für Kurse hart am Wind sind etwas höhere scheinbare Windgeschwindigkeiten nötig, um genau an der Windkante zu fahren. Oft steuert unsere Lisa genauer, als wir das könnten. Manchmal eiert sie auch ein bisschen rum, was aber den Wellen geschuldet ist, und von einem menschlichen Steuermann nur mit viel Konzentration und ständigem kräftigen Steuerns besser gemacht werden könnte.
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