Am Steg hinter der Fort Augustus Flight haben wir den nächsten, regnerischen Tag damit verbracht, Bilder zu sortieren und die Fotogalerie zu überarbeiten, was noch nicht abgeschlossen ist, weil das gekaufte Plugin nicht das tut, was es soll, und sind am Sonntag gemütlich bis Laggan gefahren. Die zwei locks waren ganz easy, es waren ja auch nur Einkammer-Schleusen und wir haben das Schleusen inzwischen ganz gut raus. Die beiden swing bridges dahinter öffneten sich von selbst und auf dem Loch Oich konnten wir trotz des engen Fahrwassers sogar vor dem leichten Wind segeln. Die Laggan Lock ist die erste Schleuse, wo es von der erreichten Höhe von ca 30m wieder abwärts geht. Man ist mit dem Schiff sozusagen übern Berg. Bereits um 16:00 Uhr machten wir am pontoon hinter der Schleuse fest und das Ganze fühlte sich plötzlich doch ein bisschen wie Erholung an. Auf einen der Berge auf unserer Seeseite gab es einen Weg und daher wollten wir am nächsten Tag endlich wandern.
Am Montag morgen sind wir mit dem Dinghi ein ganzes Stück am Ufer entlang gefahren (um Kilometer zu sparen) und trugen es in einer idyllischen Bucht unter einen mit Flechten bewachsenen Baum, dessen dichte Äste bis über das Wasser hingen. Hier zogen wir die (Wander-)Schuhe an und machten uns um 8:00 Uhr auf den steinigen Weg hinauf auf den Maell na Teanga (gälisch für “Hill of the Tongue”). Um noch ein paar Kilometer zu sparen, wollten wir den Wanderweg etwas höher am Berg erreichen und haben eine Abkürzung über eine “Schneise” in dem dichten Nadelwald gewählt. Zwischen hohem Farnkraut, Brombeerdornen und Heidekraut war allerdings nur Sumpf (ich habe aber auch wilde Orchideen entdeckt). Vergeblich versuchten wir, auf verrotteten Ästen Halt zu finden, doch alles gab nach und die Schuhe versanken im Morast. Aber nach einer Stunde Abkürzung erreichten wir den Wanderweg und hatten schon mal ein paar von den 900 Höhenmetern geschafft. Auf dem Weg nach oben durchquerten wir zunächst dichten Wald, dann ein Gebiet mit hohen Farnen, weiter oben kommt Heidelandschaft, dann Hochmoor und ganz oben ist nur noch Gras. Aber überall ist Wasser: Sumpf, Mepse, Moor, Bächlein, Bäche, große und kleine, hohe dünne und breit über Steine sich ergießende Wasserfälle, gewaltige Wasserfälle. Überall gluckert und plätschert es, fließt über den Weg und auf dem Weg, überall rinnt es den Berg hinab, rauscht, vereint sich und alles landet im Loch. Kein Wunder, dass es hier keinen Wassermangel gibt, regnen tut es reichlich in Schottland und die Highlands mit ihren Hochmooren sind die reinsten Wasserspeicher. Nach ca. drei Stunden waren wir auf den Sattel und der Blick auf die dahinter liegenden Highlands wurde frei, soweit man sehen konnte, gewaltige, stille, grüne Bergrücken und weite grüne Täler. Von dort ging es steiler — aber nicht weniger feucht — bergan. Mittags erreichten wir den Gipfel, immer weitere, höhere, grüne Berge mit felsigen Hängen. Wir sahen bis zur Westküste, den tiefen fjordartigen Einschnitt des Loch Linnhe, den wir in ein paar Tagen mit der SAI MANGALAM befahren würden. Wir sahen die höchsten Berge Großbritanniens und tief unten Loch Lochy. Nachdem wir den Frieden und die Weite dort oben ausgekostet und uns ein wenig erholt hatten, machten wir uns an den Abstieg. Zum Glück werden bergab ein paar andere Muskeln beansprucht als bergauf und nach einigen Stunden ging es mit dem Beiboot zurück zur Yacht.
Nach vielen Stunden Kaffeesegeln — aber wiedermal gegen den Wind — über Loch Lochy, fuhren wir durch die Gairlochy Lock, Gairlochy Swing Bridge und noch eine Schleuse und noch eine swing bridge. Unterwegs habe ich Dinkel und Roggen mit der Handmühle gemahlen und das erste Brot an Bord selbst gebacken. Es schmeckte wunderbar, vor allem nach vier Wochen weichem Toastbrot. Am Abend machten wir oberhalb von Neptune’s Staircase in Banavie festmachten. Dort sahen wir sie alle wieder, die Familie aus Norwegen mit der ARTFUL DODGER, die mit uns bereits in Inverness durch die Sea Lock gefahren sind, die HAYLEY LOUISE, die auch eine Bavaria 36 ist und die SANDPIPER, die wir vom Funk und aus Fort Augustus kennen. Inzwischen kennt man sich und wir wurden mit fröhlichen Winken und Hallo empfangen.
Neptune’s Staircase ist eine Schleusentreppe mit acht Kammern und das Schleusen dauerte am Mittwoch morgen (vor dem Frühstück) insgesamt mehr als 1 1/2 Stunden. Unterwegs ist Zeit für ein Pläuschchen mit den anderen crews, die an Bord und an Land die Leinen führen. Hier bot sich die Gelegenheit, ein echtes schottisches Skipper-Ehepaar nach dem Unterschied zwischen einem jetty und einem pontoon zu befragen, denn das konnten wir bisher nicht herausfinden. Und — was soll man sagen? Es gibt keinen!
In Corpach, am südwestlichen Ende des Kaledonischen Kanals, entsorgten wir unseren Müll und machten uns auf, um Lebensmittel zu bunkern. Das sind dann im wesentlichen immer Obst und Gemüse, Wasserflaschen und Brot und zwar so viel, wie wir bis zum Ende der Haltbarkeit davon verbrauchen, bzw. so viel, wie wir schleppen können. In Corpach sind wir daher 3x zum Co-op gegangen, vor allem deshalb, weil wir Soja-Joghurt von Alpro und Oatly Haferdrink Barista Edition entdeckt und jeweils den gesamten Vorrat des kleinen Supermarktes aufgekauft haben. Leider konnten wir die Wassertanks nicht auffüllen, da man hier davon ausgeht, dass das Schiff selbst einen Schlauch mitführt. Einen Schlauch haben wir nicht, aber immerhin war der vordere 150l-Tank noch fast voll, nach unserer Erfahrung also noch Wasser für etwa eine Woche. Da wir über UPS Sendungsverfolgung (und gleichzeitig live den Lieferwagen vorfahren) sehen konnten, dass unser Päckchen aus Sprockhövel gerade angekommen war, holten wir es beim Hafenbüro der Seeschleuse ab, warfen die Leinen los und ließen uns über die Sea Lock hinaus auf die See schleusen.
.…klingt, als hättet ihr alles im Griff und würdet eine gute Zeit verleben! Manchmal denke ich, dass ihr die Reise nicht nur für euch selbst macht, sondern, wenn auch sicher so nicht geplant, auch ein wenig stellvertretend für die BeobachterInnen eurer Reise, die sich “sowas” selbst nicht trauen oder deren Lebensumstände eine derartig lange Reise einfach nicht zulassen und die euch daher um so mehr alles Gute wünschen. In diesem Sinne “Alles Gute” weiterhin! LG Holger
Hallo lieber Holger,
tagelang hingen wir in den Flauten und hatten leider auch fast kein Internet. Nun sind wir auf der traumhaften Hebrideninsel Iona angekommen und kämpfen auch hier um jedes kBit, daher erhältst Du erst jetzt eine Rückmeldung. Die Hochs und Tiefs liegen bei so einer Reise oft dicht beieinander. Wenn man die vielen fantastischen Eindrücke sieht, die ich ja auch gerne fotografiere, ist alles gut. Wenn die Wäsche einfach nicht mehr trocknet, das Wasser knapp wird oder ein Sturm im Anzug ist, denkt der geneigte Beobachter von zuhause aus vielleicht “deshalb würde ich es nicht machen” und vielleicht hat er recht?
Danke für Deinen guten Wünsche,
alles Liebe von der SY SAI MANGALAM
Helga