Der Kale­do­ni­sche Kanal führt von Inver­ness im Nord­os­ten nach Fort Wil­liam im Süd­wes­ten über eine Län­ge von 97km ein­mal quer durch die Schot­ti­schen High­lands und ver­bin­det die Nord­see­küs­te Schott­lands mit der West­küs­te. Er folgt dabei dem Gre­at Glen („Gro­ßes Tal“) einem geo­lo­gi­schen Ein­schnitt, der so tief ist, dass unser Tie­fen­mes­ser im Loch Ness bei über 200m Tie­fe auf­ge­ge­ben hat und nur noch blink­te. Man könn­te fast Sor­ge haben, dass Schott­land hier ein­mal aus­ein­an­der­bricht und tat­säch­lich ist die Ver­wer­fung seis­misch aktiv.

Der Kanal folgt zu 2/3 natür­li­chen Gewäs­sern und führt durch meh­re­re Lochs, die durch künst­li­che Was­ser­stra­ßen ver­bun­den wur­den. Um die Höhen­un­ter­schie­de zu über­win­den, hat man 29 Schleu­sen gebaut.

Auf der Suche nach einem Ersatz für das durch­ge­brann­te 12V-Lade­ge­rät für die Lap­tops stan­den wir in Inver­ness mehr oder weni­ger über­ra­schend, plötz­lich unter­halb der Muir­town Flight, einer Trep­pe aus 4 Schleu­sen­kam­mern, Teil des Kale­do­ni­schen Kanals, mit­samt der hüb­schen, klei­nen Sea­port Mari­na. Die Idee war, die SAI MANGALAM hier­her zu ver­le­gen, um die Ein­käu­fe und Bau­ar­bei­ten am Schiff fort­zu­set­zen. Also sind wir am Diens­tag über die Clach­nah­ar­ry Sea Lock in den Kanal ein­ge­fah­ren, haben die ers­te Schwenk­brü­cke und eine wei­te­re Schleu­se pas­siert und in der Sea­port Mari­na – immer noch in Inver­ness – gleich wie­der fest­ge­macht. Inzwi­schen hat­te Rein­hard sich gemel­det, der genau so ein Lade­ge­rät hat, wie wir es such­ten, und es uns aus Deutsch­land nach Fort Wil­liam schi­cken wür­de. Nach die­sem über­ra­schen­den Glück beschlos­sen wir, ein­fach für den Rest des Tages Urlaub zu machen und wie ganz nor­ma­le Tou­ris­ten das Inver­ness Cast­le zu besuchen.

Um eine Schleu­se zu benut­zen, ist es im Cale­do­ni­an Canal immer erfor­der­lich, vor­her den Lock Kee­per auf Kanal 74 anzu­fun­ken und zu hören, wann man mit­ge­schleust wer­den kann. Am nächs­ten Mor­gen frag­ten wir also nach dem Früh­stück so ganz ent­spannt über Funk nach der nächs­ten Öff­nung der Muir­town Swing Bridge, der Ver­kehrs­brü­cke unter­halb der Schleu­sen­trep­pe. Als Ant­wort kam die Gegen­fra­ge, ob wir in 5 – 10 Minu­ten da sein könn­ten, bes­ser eher. Und dann ging alles hopp­la-hop. Durch die Brü­cke und schon fan­den wir uns in der ers­ten Schleu­sen­kam­mer wie­der. Ich hat­te mir vor­her bereits reich­lich Gedan­ken gemacht, wie wir das bewerk­stel­li­gen soll­ten. Idea­ler­wei­se wird das Schiff an Land von zwei Per­so­nen von Kam­mer zu Kam­mer getrei­delt, wäh­rend einer an Bord steu­ert. Schließ­lich habe ich das Schiff an der Vor­lei­ne geführt (obwohl Frank natür­lich mit Motor gefah­ren ist) und einer der freund­li­chen und hilfs­be­rei­ten Lock Kee­per führ­te die hin­te­re Lei­ne. Wäh­rend des Schleu­sens („now I take you up“ ) muss die Vor­lei­ne gut fest­ge­legt wer­den, da von vor­ne eine ganz schö­ne Strö­mung durch das Flu­ten der Kam­mer ent­steht. Oben wur­den wir aus dem fünf­ten Schleu­sen­tor in den male­ri­schen Kanal ober­halb von Inver­ness ent­las­sen. Nach eini­gen Kilo­me­tern ver­läuft der Fluss Ness genau par­al­lel, nur ein paar Meter tie­fer neben dem Kanal, schließ­lich mit einem Wehr ver­eint, füh­ren Kanal und Ness in das Loch Doch­four und kurz dar­auf in das Loch Ness. Rechts und links säu­men bewal­de­te Hügel den Kanal. Die­se urwüch­si­gen Wäl­der ver­set­zen mich in Erstau­nen. Es sind dich­te Misch­wäl­der mit gro­ßen, knor­ri­gen, kraft­vol­len Bäu­men, wie ich sie noch nie gese­hen habe, rich­ti­ge Urwäl­der. Zum Loch Ness hin wer­den die Ber­ge eini­ge hun­dert Meter hoch, vom Ufer­saum bis zu den Berg­rü­cken bewal­det. Am Abend mach­ten wir in der Bucht von Dores an einer Moo­ring­bo­je fest.

Was für ein Tag! Am nächs­ten Mor­gen weck­te uns ein herr­li­cher Son­nen­schein und nach dem Früh­stück segel­ten wir end­lich! ein­mal mit Wind von hin­ten durch die beein­dru­cken­de Kulis­se der stei­len, grü­nen Hän­ge links und rechts. Am frü­hen Nach­mit­tag näher­ten wir uns der sehr foto­gen im Gegen­licht gele­ge­ne Burg­rui­ne des Urquhart Cast­le und da wir so schön sanft vor uns hin segel­ten, habe ich mei­nem Hob­by gefrönt und reich­lich foto­gra­fiert. Wie man auf unse­rem AIS-Track sieht, ging es danach wie­der gegen den Wind, bis wir die SAI MANGALAM in der Bucht bei Foy­ers an einer Moo­ring­bo­je fest mach­ten. Dass hier ein Ort in dem dicht bewal­de­tem Hang ver­bor­gen sein soll­te, konn­te man nur der Kar­te ent­neh­men, man sieht ein­fach nur Wald, aber tat­säch­lich: Wohn­häu­ser, B&B, Pub, Cam­ping­platz, ehe­ma­li­ge Alu­mi­ni­um Indus­trie … alles da. Am Abend sind wir mit dem Dinghi an Land gefah­ren und zu den Falls of Foy­ers gewan­dert. Eigent­lich woll­ten wir nur ein Anle­ger­bier trin­ken und mal bei dem Was­ser­fall gucken gehen. Was wir auf der Kar­te nicht gese­hen haben, dass dazwi­schen eini­ge Höhen­me­ter lagen (obwohl – hät­te man sich den­ken kön­nen, wenn zu einem Was­ser­fall geht). So bin ich also mit Rock und in San­da­len auf den Berg geklet­tert. Aber es hat sich gelohnt, im wun­der­schö­nen Abend­son­nen­schein stan­den wir stau­nend vor dem in ein dunk­les Becken stür­zen­den Fluss Foy­ers. Lei­der erfuh­ren wir von einer Hin­weis­ta­fel, dass ein Groß­teil des Was­sers schon ober­halb des Was­ser­falls abge­lei­tet und zur Strom­ge­win­nung durch ein Kraft­werk gelei­tet wird. Von der ursprüng­li­chen gewal­ti­gen Kraft des Was­ser­falls ist also nur ein ampu­tier­ter Rest übrig, was uns im Nach­hin­ein doch trau­rig stimm­te. Was ist denn nun rich­tig? Eine erneuerba­re, im Über­fluss ver­füg­ba­re Ener­gie zu nut­zen oder den Zau­ber der gewal­ti­gen Kräf­te zu erhal­ten und die Har­mo­nie der Natur nicht zu stö­ren? Zum Abschluss die­ses schö­nen Tages fan­den wir hoch oben im Wald ein Restau­rant mit einem fan­tas­ti­schen Blick über Loch Ness und einem vega­nen indi­schen Gemü­se-Jal­fre­zi für uns.

Am Frei­tag kreuz­ten wir mal wie­der gegen den Wind wei­ter im Loch Ness nach Süd­wes­ten. Da der Wind sehr gleich­mä­ßig mit 14 bis 16 Kno­ten blies, übten wir das MOB-Manö­ver (Man Over Board), was längst mal fäl­lig war. Aber das Ergeb­nis war beru­hi­gend, jeder von uns hat es geschafft, den über Bord gewor­fe­nen Fen­der zu ret­ten. Ich brauch­te dafür 8 Minu­ten. Lei­der kann man unse­re Manö­ver-Piruet­ten auf der AIS-Auf­zeich­nung nicht sehen, denn zu der Zeit waren wir vom AIS ver­schwun­den gewe­sen, was in Deutsch­land zu der Spe­ku­la­ti­on führ­te, dass Nes­sie uns ver­schlun­gen haben könn­te … Im Loch Ness sind die Ufer so steil, dass beim Wen­den weni­ge Meter vor dem Ufer oft noch 60m, 80m oder 100m Tie­fe sind. Auf den Hän­gen unter Was­ser liegt ein dicker Schlamm aus ver­rot­te­te Bäu­men und das Was­ser hat einen hohen Torf­ge­halt und ist auch wirk­lich leicht bräun­lich. Im Süden des Lochs wer­den die Ber­ge oben­rum lang­sam kah­ler und fel­si­ger und sehen dann end­lich so aus, wie ich mir die High­lands vor­ge­stellt habe. Abends erreich­ten wir Fort Augus­tus, das mit sei­ner Schleu­sen­trep­pe der busiest place des gan­zen Kanals sein soll. Wie­der hat­ten wir das Glück, dass wir sofort mit nach oben geschleust wer­den konn­ten. Schif­fe, die kurz nach uns anka­men, muss­ten am Pon­ton bis zum nächs­ten Tag war­ten. So nah­men wir Abschied von dem wei­ten, stil­len und beein­dru­cken­den Loch Ness. Die Fort Augus­tus Lock Flight mit ihren fünf Schleu­sen­kam­mern ist eine Attrak­ti­on für Urlau­ber aus vie­len Län­dern und wäh­rend des Schleu­sens war ich ganz schön gefor­dert, an Land die Lei­nen zu bedie­nen und gleich­zei­tig vie­len inter­es­sier­ten Schau­lus­ti­gen Fra­gen zu beant­wor­ten. Hin­ter der letz­ten Schleu­sen­kam­mer haben wir am Pon­ton fest­ge­macht, um für ein oder zwei Näch­te zu blei­ben.

Soweit der Kale­do­ni­sche Kanal bis Fort Augus­tus, was unge­fähr die Hälf­te ist. Ich wer­de die­sen Bericht spä­ter wei­ter­schrei­ben. Im Moment sind wir auch dabei, die Foto­ga­le­rie umzu­struk­tu­rie­ren, so dass es kom­for­ta­bler sein wird, die jeweils aktu­el­len Fotos anzu­se­hen.

4 Kommentare
  1. Dagmar
    Dagmar sagte:

    Kali Mera, ihr Lie­ben, schön, dei­nen leben­di­gen Bericht über eure Rei­se durch den Kale­do­ni­schen Kanal zu lesen, Hel­ga — als sei­en wir ein Stück dabei, und so kön­nen wir ein biss­chen von der Land­schaft erle­ben. Wei­ter gute Rei­se und Rücken­wind! Lie­be Grü­ße aus dem son­ni­gen und war­men Grie­chen­land, Dag­mar

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    • Helga
      Helga sagte:

      Latha Math, lie­be Dag­mar,
      im Moment lie­gen wir vor Anker wir im Regen und träu­men vom medi­ter­ra­nen Tem­pe­ra­tu­ren. Dan­ke für Dei­ne net­te Rück­mel­dung, etwas Rücken­wind wäre wirk­lich mal schön.
      Lie­be Grü­ße
      Hel­ga

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  2. Reinhard
    Reinhard sagte:

    Lie­be Hel­ga,

    es macht Spass, Eure Erleb­nis­se so leben­dig beschrie­ben mit­er­le­ben zu dür­fen. Man hat. manch­mal fast das Gefühl, dabei zu sein.

    Nes­sie hat Euch nicht gefres­sen, und das ist auch gut so. Wir wol­len schließ­lich wei­ter­hin Eure Berich­te mit­er­le­ben. Ihr wer­det gele­sen, von der Fami­lie, von Freun­den, von lie­ben Men­schen, die uns nahe­ste­hen und die regel­mä­ßig mit Links zu Blog und Bil­dern ver­sorgt wer­den. Die (weni­gen) Kom­men­ta­re könn­ten auf wenig Inter­es­se schlie­ßen las­sen. Das täuscht 🙂

    Wei­ter so! Dan­ke, dass Ihr uns an Eurem Aben­teu­er teil­ha­ben lasst.

    Lie­be Grü­ße
    Rein­hard

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    • Helga
      Helga sagte:

      Hal­lo lie­ber Rein­hard,
      ja, Nes­sie war uns wohl­ge­son­nen und hat uns eine schö­ne Zeit beschert. Pri­ma, dass Ihr Papa und ande­re Inter­es­sier­te ver­sorgt. Wir freu­en uns über das gro­ße Inter­es­se in der Hei­mat.
      Herz­li­che Grü­ße
      Hel­ga

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